Ich hatte es vor einigen Minuten gerade kommentiert, finde aber, der Kommentar ist zu interessant (und unbedingt ausbaufähig), als dass er in der Kommentarspalte versteckt bleiben sollte.
Also, es scheint ja doch noch Schwung in die bisher nicht existierende Debatte doch noch eine Art Debatte über die deutsche Hochleistungssportförderung in Gang zu kommen, die von DOSB/BMI/Sportausschuss des Bundestages gar nicht erwünscht ist. Öffentlich ist nichts erwünscht – auch wenn demnächst viel mehr öffentlich sein wird, was den Informationsblockern DOSB (Bach/FDP, Vesper/Grüne) und BMI (Friedrich/CSU) nicht gefällt. Der Sportausschuss tagt wieder hinter verschlossenen Türen, weshalb Journalisten tunlichst eine Berichterstattung sein lassen sollten – nachprüfbar ist das nicht wirklich.
Jedenfalls, nachdem heute Morgen der Deutsche Tischtennis-Bund ein fulminantes Papier veröffentlichte (Wortlaut und etliche weitere Details und Dokumente dazu gibt es wie immer an dieser Stelle), kamen im Laufe des Tages einige Wortmeldungen hinzu – und in der DOSB-Zentrale begann eine hektische Betriebsamkeit. Die Meinungseinfältigkeit, die Einstimme des sportpolitischen Komplexes, muss schließlich gewahrt bleiben.
Das habe ich also vorhin so kommentiert:
Lustig, wie der DOSB seine honeckereske Einstimmenmeinung promotet. Habe gerade eine PM auf einen meiner Tweets zu diesem Beitrag erhalten, und einige derjenigen, die retweetet haben, gleich mit:
@jensweinreich DKV, DTB sehen es anders. Nicht vergessen. dosb.de/de/olympia/oly… und kanu.de/go/dkv/_dbe,ne…
— DOSB (@DOSB) September 25, 2012
@danieldrepper DKV, DTB sehen es anders. Nicht vergessen. dosb.de/de/olympia/oly… und kanu.de/go/dkv/_dbe,ne…
— DOSB (@DOSB) September 25, 2012
@thomashorky DKV, DTB sehen es anders. dosb.de/de/olympia/oly… und kanu.de/go/dkv/_dbe,ne…
— DOSB (@DOSB) September 25, 2012
Immerhin, derlei Social Media Tools werden in der DOSB-Zentrale längst genutzt.
Das fand diese Fortsetzung:
. @dosb Ach Gott. Beide habe ich in einem Zeitungstext erwähnt. Hat der DOSB den DKV und DTB um diese Sichtweise gebeten? #sportförderung
— Jens Weinreich (@jensweinreich) September 25, 2012
Muss man mich gar nicht drauf hinweisen. Die Stellungnahme des DKV, traditionell Verfechter des demokratischenZentralismus, gibt es hier:
Die Stellungnahme des DTB habe ich schon vor einigen Tagen zur Diskussion gestellt:
Das Einstimmen-Dokument des DOSB habe ich ebenfalls in Gänze zur Diskussion gestellt:
Aber zurück zu den Entwicklungen heute Nachmittag. Old Fashioned Propaganda der Sportkameraden Thiel und Brechtken gibt es auch.
Die Pressemitteilung des DOSB von 16.39 Uhr:
Statements zur aktuellen Debatte um die Sportförderung
Christa Thiel, DOSB-Vizepräsidentin Leistungssport, erklärt: „Mit großer Verwunderung habe die die heutige Stellungnahme des DTTB zur Kenntnis genommen. Das Thema der Leistungssportförderung und deren Ausrichtung für den nächsten Olympiazyklus ist bereits vor den Olympischen Spielen diskutiert worden, die Gremiensitzungen waren lange anberaumt. Dem Präsidalausschuss und Beirat Leistungssportentwicklung des DOSB, die dem Thema am 13. September eine gemeinsame ganztägige Klausursitzung widmeten, lag weder die Stellungnahme des DTTB vor, noch hat der Sportdirektor des DTTB, der Mitglied des Beirates ist, Änderungswünsche vorgetragen. Alle Beschlüsse wurden auch mit seiner Stimme einstimmig getroffen. Auf dieser Grundlage befasste sich das Präsidium des DOSB am 18. September mit der Zukunft der Leistungssportförderung. Es ist schade und es widerspricht einem fairen Verfahren, seine Vorstellungen bei diesen Gelegenheiten nicht einzubringen.“
Rainer Brechtken, Sprecher der Spitzenverbände im DOSB, erklärt: „Ich habe das Papier des DTTB als Sprecher der Spitzenverbände zur Kenntnis genommen. Eine ganze Reihe von Punkten, die hier festgehalten sind, wurden in der letzten Änderung des Fördersystems längst berücksichtigt. Das jetzige System unterscheidet zwischen einer Grundförderung für alle Sportarten und einer Projektförderung, mit der die Verbände in ihren Trainingsmaßnahmen unterstützt werden, die auf sportliche Erfolge ausgerichtet sind. Eine Reihe der vom DTTB genannten Faktoren wie die Anzahl der Athleten und Disziplinen fließen längst in die Berechnung der Grundförderung ein. Unstrittig ist für mich, dass der Spitzensport eine Auswirkung auf das Engagement im Breitensport hat. Obwohl ich als Präsident des Deutschen Turner-Bundes, des größten Breitensportverbandes, durchaus einer gewissen Versuchung unterliegen könnte, kann ich jedoch dem Vorschlag nicht zustimmen, die Förderung an die Zahl der Breitensportler zu koppeln. Das wäre ähnlich, wie wenn man in der Wirtschaft nur den Großbetrieb berücksichtigte und den innovativen Mittelständler vernachlässigen würde. Alle Athleten, die sich dem Leistungssport widmen, haben Anspruch auf Förderung, unabhängig von der Größe ihres Verbandes. Selbstverständlich kann man über die Details der einzelnen Parameter der Berechnungen diskutieren, aber dazu müssten konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt werden. Für mich ist ganz wichtig, dass wir nicht durch eine falsche Diskussion zu einer Entsolidarisierung des Sportsystems kommen.“
Wobei sich einige Fragen und Informationen aufdrängen:
- Christa Thiel war vor Brechtken Sprecherin der Spitzenverbände und beerbte als Vizepräsidentin Leistungssport den Sportlobbyisten im Bundestags-Sportausschuss Eberhard Gienger (CDU).
- Christa Thiel hat das katastrophale Abschneiden des Deutschen Schwimmverbandes in London zu verantworten (und zuvor bei anderen Olympischen Spielen).
- Christa Thiel hat öffentlich zum DSV-Abschneiden inhaltlich nicht viel zu sagen.
- Warum hält Christa Thiel die DSV-Analyse für das London-Abschneiden (Debakel und Desaster will ich ja nie sagen) eigentlich unter Verschluss?
- Rainer Brechtken will gern mehr DDR und mehr Zentralismus, wenn ich sein Papierchen für den Sportausschuss richtig lese, das hier als erstes öffentlich gemacht wurde und bereits heftigst diskutiert wird.
- Wollen Christa Thiel und Rainer Brechtken DOSB-Boss werden, sollte dem amtierenden DOSB-Vorsteher, dem UDIOCM Thomas Bach (FDP), in einem Jahr tatsächlich der Sprung auf den IOC-Thron gelingen?
Und schließlich, zum vorläufigen Abschluss heute, noch ein Dokument, das in Agenturtexten bereits zitiert wird:
- das Positionspapier zu internationalen und nationalen Tendenzen auf der Grundlage der Ergebnisse der Olympischen Spiele aus der Sicht der IAT/FES-Sportarten
Willkommen in der DDR. Viel Vergnügen.
Mann hätte sich vorstellen können, dass der unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagende Sportausschuss wenigstens dieses und andere Papiere auf seiner Webpräsenz bereit stellt. Warum aber? Blöder Gedanke von mir.
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